Wer sich in Deutschland selbstständig machen möchte, muss dem Finanzamt so einiges an Fragen beantworten. Eine der wichtigsten ist dabei, ob du eine freiberufliche oder eine gewerbliche Tätigkeit ausüben wirst – und die Antwort darauf ist nicht immer einfach.
In diesem Guide geben wir dir einen Überblick dazu, was Freiberufler und Gewerbetreibende unterscheidet und listen ein paar der umstrittensten Jobs auf, bei denen die Einordnung oft von ein paar Kleinigkeiten abhängig ist.
Darum geht’s:
- Der Unterschied zwischen Freiberufler und Gewerbe
- Freiberufler oder Gewerbe: Die 10 umstrittensten Beruf
- IT-Berater / Softwareentwickler
- Fotograf
- Influencer und Blogger
- Designer
- Übersetzer
- Ingenieur
- Erzieher oder Pädagoge
- Pflegekraft
- Coach
- Online-Kurse
- Freiberuf oder Gewerbe: Der schnelle Selbsttest
Der Unterschied zwischen Freiberufler und Gewerbe
Du solltest bereits vor dem Start deiner Selbstständigkeit wissen, ob du als Freiberufler oder als Gewerbetreibender giltst, denn daraus ergibt sich, wie du deinen neuen beruflichen Weg offiziell anmelden musst.
Doch nicht nur die Anmeldung deiner Tätigkeit ergibt sich aus der Zuordnung in eine der beiden Kategorien. Auch, welche Steuern du letztendlich zahlen musst, hängt direkt mit der Einteilung in Freiberufler und Gewerbetreibender zusammen.
Und ob du Freiberufler bist oder ein Gewerbe betreibst, kannst du dir nicht einfach aussuchen.
Das macht einen Freiberufler aus
Im Einkommensteuergesetz findest du die folgende Definition für Freiberufler:
„Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit […]” §1 8 Abs. 1 Nr.1 EStG.
Grundsätzlich fallen hier alle Jobs rein, die…
- … eine Dienstleistung (und keine Waren) anbieten
- … persönliche Fachkenntnisse (z.B. durch ein Studium oder eine Ausbildung) erfordern
- …eigenverantwortlich und leitend ausgeübt werden
Das klingt erstmal ganz einleuchtend. Wenn dein Job in eine der genannten Kategorien fällt, dann musst du nur den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung ausfüllen und kannst nach Erhalt deiner neuen Steuernummer direkt mit deiner neuen freiberuflichen Arbeit loslegen.
➡️Welche Vorteile du als Freiberufler hast, erfährst du hier.
Das macht einen Gewerbetreibenden aus
Für Gewerbetreibende ist die offizielle Definition bereits etwas komplizierter. Sie lautet:
„Eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ist Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. § 15 Abs. 2 EStG“
Wenn du dich in dieser Erklärung wiederfindest, dann musst du ein Gewerbe anmelden. Dazu füllst du zum einen den bereits erwähnten Fragebogen zur steuerlichen Erfassung aus. Zum anderen musst du dich aber zusätzlich beim Gewerbeamt anmelden.
Die Anmeldung beim Gewerbeamt ist mit einer Gebühr verbunden, die je nach Standort aktuell zwischen 20€ und 65€ liegt.
Ein weiterer Unterschied zwischen Freiberuflern und Gewerbetreibenden ist, dass du für das Betreiben eines Gewerbes Gewerbesteuer zahlen musst. Die Höhe der Gewerbesteuer berechnet sich nach dem sogenannten Hebesatz, der von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich ist. Auch hier spielt also wieder der Standort deines Gewerbes eine wichtige Rolle.
➡️Mehr zum Gewerbe als Form der Selbständigkeit erfährst du in diesem Artikel.
Freiberufler sein und gleichzeitig ein Gewerbe betreiben
Es ist prinzipiell auch möglich, sowohl freiberuflich zu arbeiten als auch nebenbei ein Gewerbe zu betreiben. Dafür musst du dich allerdings auch entsprechend zweimal beim Finanzamt anmelden: Einmal für die freiberufliche und einmal für die gewerbliche Tätigkeit.
In der Regel erhältst du dann für beide Tätigkeiten jeweils eine individuelle Steuernummer, über die du deine Gewinne abrechnest. Dementsprechend musst du auch mehrere Steuererklärungen abgeben.
Freiberufler oder Gewerbe: Die 10 umstrittensten Berufe
Der Bereich der freien Berufe ist relativ eindeutig definiert. Freiberuflich arbeitest du, wenn du eine…
- … wissenschaftliche
- … künstlerische
- … schriftstellerische
- … unterrichtende
- … erzieherische
Tätigkeit ausübst.
➡️ Hier gibt’s ein paar mehr Infos zu den freiberuflichen Katalogberufen.
Allerdings gibt es auch in diesen Bereichen ein paar Grauzonen, bei denen es sich lohnt, einmal genauer hinzuschauen. Denn nicht jeder Fotograf ist zum Beispiel künstlerisch tätig und auch bei Übersetzern gibt es einen kleinen aber feinen Unterschied.
1. IT-Berater / Softwareentwickler
Ein klassischer Fall, bei dem die Einteilung in freiberuflich oder gewerblich sehr schwer ist, ist der Job des IT-Beraters oder auch Softwareentwicklers. Hier hängt die Klassifizierung von marginalen Kleinigkeiten ab.
Wenn deine Arbeitsaufgaben denen eines Ingenieurs sehr ähnlich sind, dann wirst du wahrscheinlich als Freiberufler eingestuft werden. Das ist bei Systemsoftwareentwicklern zum Beispiel der Fall. Programmierer und Berater, die Benutzer betreuen und sie bei der Weiterentwicklung und Pflege ihrer Anwendungen unterstützen, sind wiederum gewerblich tätig.
Du siehst schon, die Unterschiede hier sind wirklich minimal und es gibt tatsächlich einige juristische Streitfälle, in denen letztendlich vor Gericht mit einem Urteil entschieden wurde, in welche Kategorie IT-Berater fallen. Das liegt daran, dass im entsprechenden Paragraph im Einkommensteuergesetz keine klaren Definitionen für diesen Bereich festgehalten sind.
Deswegen bist du im Zweifel gut damit beraten, vor der Anmeldung einer selbstständigen Tätigkeit im IT-Bereich mit einem Steuerberater zu sprechen.
2. Fotograf
Als Fotograf kommt es darauf an, welche Art von Fotografie du anbietest und mit welchen Kunden du zusammenarbeitest.
Hochzeitsfotografen oder Fotografen mit einem Studio für Porträts, z.B. für Ausweise und andere Dokumente, gelten in der Regel als Gewerbetreibende. Wenn du hingegen künstlerisch tätig bist und beispielsweise als Bildjournalist für eine Zeitschrift arbeitest, wirst du als Freiberufler angesehen.
3. Influencer und Blogger
In den letzten Jahren hat die Attraktivität des Jobs als Influencer bei vielen jungen Menschen extrem zugenommen. Doch ist man als Social Media Influencer ein künstlerisch tätiger Freiberufler oder ein dauerhaft gewinnerzielender Gewerbetreibender?
Hierbei kommt es erneut genau auf die Inhalte an. Wer journalistisch tätig ist, Recherche betreibt und vielleicht sogar über eine entsprechende Ausbildung verfügt, kann durchaus als Freiberufler eingestuft werden.
Der Großteil der Influencer gilt allerdings als Gewerbetreibender, da in den meisten Fällen eine dauerhafte Gewinnerzielungsabsicht vorliegt.
Gut zu wissen: Bei der Anmeldung deiner Tätigkeit im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung gibst du als Blogger oder Influencer am besten „Internet-Dienstleistungen” an.
➡️ Weitere Steuertipps für Influencer findest du hier.
4. Designer
Im Bereich Design ist erneut das Zusammenspiel aus Kunden und tatsächlicher Arbeit ausschlaggebend.
Wenn du als Grafikdesigner den Werbeprospekt einer Firma gestaltest und hierfür Produkte arrangierst, dann bist du gewerblich tätig. Falls du aber einen klaren künstlerischen Aspekt in deiner Arbeit verfolgst, bist du Freiberufler.
5. Übersetzer
Übersetzer werden oftmals als freiberuflich eingestuft. Trotzdem solltest du in diesem Bereich eine entsprechende fachliche Kompetenz nachweisen können, um hier nicht doch ein Gewerbe anmelden zu müssen.
Ein Abschluss als staatlich geprüfter Dolmetscher oder Übersetzer oder ein Hochschulabschluss in einem relevanten Fach kann hier den entscheidenden Unterschied machen.
6. Ingenieur
Ingenieure sind ebenfalls grundsätzlich freiberuflich tätig. Um als Ingenieur zu gelten, musst du allerdings nachweislich über entsprechende berufliche Qualifikationen verfügen. Das kann ein abgeschlossenes Studium sein, aber auch entsprechende Arbeitserfahrung in einem Ingenieurberuf ist dafür relevant.
Achtung: Wenn du als beratender Ingenieur arbeiten möchtest, musst deine Beratung auch in einem direkten Zusammenhang mit deinen Fähigkeiten als Ingenieur stehen. Wenn du also ein Unternehmen berätst, aber dein Ziel dabei ausschließlich das Erwirtschaften von mehr Umsatz ist, könntest du eher in die Kategorie des beratenden Betriebswirts fallen, der noch einmal gesonderte Auflagen mit sich bringt.
7. Erzieher/Pädagoge
Als Erzieher bist du in einem unterrichtenden Job tätig und fällst damit automatisch in die freien Berufe – oder? Tatsächlich kommt es hier zusätzlich auch darauf an, ob du eigenverantwortlich arbeitest.
Wenn du also nun bei einer Kita arbeitest, in der es neben dir auch noch diverse angestellte Erzieher gibt, musst du nachweisen können, dass du nicht nur auf die Weisung deines Auftraggebers hin arbeitest, sondern auch eigenverantwortlich tätig bist.
8. Pflegekraft
Alle heilenden Berufe fallen in den freiberuflichen Bereich. Dazu gehören:
- Ärzte
- Zahnärzte
- Tierärzte
- Krankenpfleger
- Altenpfleger
- Heilpraktiker
- Krankengymnasten
Allerdings gibt es in dieser Gruppe auch einen Sonderfall, nämlich den der häuslichen Pflegehilfe. Wenn die Dienstleistung sich hier primär auf die Unterstützung im Alltag bezieht, wird sie als gewerblich eingestuft. Das gilt auch dann, wenn die Hilfeleistung die Gesundheitsvorsorge und Aufrechterhaltung von Vitalfunktionen beinhaltet.
9. Coach
Auch die Berufsbezeichnung Coach bedarf für das Finanzamt genauerer Erklärung. Wenn du wirklich rein als Coach arbeitest, dann bist du gewerblich tätig und musst dich entsprechend über das Gewerbeamt anmelden.
Wenn du jedoch im betriebswirtschaftlichen Bereich arbeitest, sieht das schon wieder anders aus. Hier könntest du als Freiberufler gelten, wenn du ein wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert hast und in deinem Coaching die dabei erlernten Kenntnisse einbringst.
Wenn du dich also als Coach selbstständig machen möchtest, kommt es auf die kleinen Feinheiten deiner Tätigkeit und auch auf deine bisherige Ausbildung und dein Fachwissen an.
10. Online-Kurse
Online-Kurse sind eine sehr beliebte Möglichkeit, um im Internet Geld zu verdienen. Wenn du diese auf deiner Website allerdings lediglich anbietest und verkaufst, aber nicht aktiv an deren Gestaltung mitwirkst, dann bist du als Gewerbe tätig.
Freiberuflich bist du hingegen unterwegs, wenn du den Kurs entweder selbst fachlich als lehrende Kraft begleitest, oder aber in Form einer schriftstellerischen Tätigkeit die Inhalte dafür verfasst.
Freiberuf oder Gewerbe: Der schnelle Selbsttest
Wie unsere Beispiele zeigen, kommt es oft auf kleine Details und genaue Tätigkeitsbeschreibungen an. Dennoch gibt es in vielen gängigen Berufen eine klare Rechtslage, die auch in der Praxis mehrfach erprobt wurde.
Um dir den Einstieg in die Selbstständigkeit zu vereinfachen, haben wir ein Quiz vorbereitet, mit dem du ganz einfach herausfinden kannst, ob du zu den freien Berufen gehörst oder eventuell doch ein Gewerbe anmelden musst.
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